Was macht Kabul Luftbrücke eigentlich?
Wir bekommen öfter mal die Rückmeldung, dass viele Menschen gar nicht genau wissen was wir eigentlich machen. Viele glauben sogar, dass unsere Arbeit längst vorbei wäre. Das wäre wirklich sehr schön! Der Name „Kabul Luftbrücke“ ist vielleicht auch etwas verwirrend und missverständlich? Die meisten Evakuierungen werden nämlich mit Minibussen durchgeführt. Wir haben nur dreimal ein Flugzeug gechartert und nach Kabul fliegen lassen, einfach nur um zu beweisen, dass dies möglich ist. Das hat nämlich die Bundesregierung damals immer vehement bestritten. Hier erklären wir deswegen nun, was unsere tägliche Arbeit ist und wie die meisten Evakuierungen ablaufen.
Die Evacuees werden von unserem Operations Team auf ihre Abreise vorbereitet und erhalten alle relevanten Informationen für ihre Fahrt. Sie dürfen nur minimales Gepäck mitnehmen, weil zu viele Koffer die Aufmerksamkeit der Taliban auf sich ziehen würden. Sie verlassen ihre Heimat, eventuell für immer, meistens sogar, ohne sich noch von ihren Angehörigen verabschieden zu können.
Einige Evakuierungen laufen auch über die Nachbarländer Turkmenistan, Tadschikistan oder Iran. Für die Landstrecke nach Pakistan hat sich Kabul Luftbrücke eine gut funktionierende Infrastruktur aufgebaut. Bisher sind es auch nur wir, die Landevakuierungen nach Pakistan durchführen, während in den Iran auch Busse der GiZ fahren. Die Strecke von Kabul zum Grenzübergang in Torkham beträgt ca. 230 km. Die Fahrt dauert ungefähr fünf Stunden.
Nach dem Grenzübertritt werden die Busse gewechselt. Die Weiterfahrt wird von einem pakistanischen Busunternehmen übernommen. Die pakistanische Hauptstadt Islamabad ist ca. 250 km vom Grenzübergang in Torkham entfernt. Die Fahrt dorthin dauert weitere vier Stunden. Erst wenn auch diese Etappe geschafft ist, können sich die Evacuees halbwegs in Sicherheit fühlen.
In Islamabad kommen die Evacuees unter, bis sie ihren Termin in der deutschen Botschaft bekommen und nach Deutschland weiterreisen können. Einige müssen mehrere Monate im Guesthouse warten, das Kabul Luftbrücke in einem ehemaligen Hotel betreibt. In Hochzeiten leben dort bis zu 250 Menschen, die auf ihre Papiere und Stempel von der Deutschen Botschaft warten müssen. Sie werden dort selbstverständlich auch von uns verpflegt und bekommen täglich Sprachunterricht. Das alles wird finanziert durch eure Spendengelder.
Erst wenn die Evakuierten ihr Visum in der deutschen Botschaft bekommen haben, können sie weiter nach Deutschland reisen. Einige sehen nach Monaten erstmals ihre Familienangehörigen wieder. Im August 2021 war die Vergabe deutscher Aufnahmezusagen willkürlich und wurde nach zwei Wochen gestoppt. Seitdem konnten wir über Einzelfallanträge einige weitere Zusagen erwirken. Am 17. Oktober 2022 wurde vom Auswärtigen Amt und dem Innenministerium das über ein Jahr lang versprochene Bundesaufnahmeprogramm (BAP) verkündet. Hier ist unsere Kritik am BAP. Informationen für gefährdete Personen und deren Möglichkeiten für eine Aufnahme findet ihr hier.
Warum übernehmen wir eigentlich immer noch Evakuierungen, wo doch die Bundesregierung das inzwischen auch tut? Die Ausreise in ein Nachbarland ist für viele Familien ein bisschen komplexer, als die deutsche Bürokratie es zulässt. Zum Beispiel begleiten wir besonders vulnerable Personen und Familien, die aufgrund ihrer komplizierten Verfahren getrennt wurden. In Islamabad betreuen wir dann diejenigen, die wegen bürokratischer Prozesse zunächst nicht weiterreisen können. Viele bleiben in Familienzusammenführungsfällen stecken, warten auf die Bearbeitung ihrer Härtefallanträge und sitzen dabei oft mehrere Monate in Pakistan fest. Statt Verfahren zu vereinfachen, werden von der Regierung aber immer mehr Hürden aufgebaut.
Seit August 2021 schreiben uns jeden Tag Menschen, die sich seit der Machtübernahme in einer Bedrohungslage befinden. Die Aufnahmelisten der Bundesregierung wurden zum Zeitpunkt der Machtübernahme für ca. zwei Wochen geöffnet, der Zugang verlief willkürlich, Ende August 2021 wurden die Listen geschlossen, die Evakuierungsmission beendet. Alle weiteren Anfragen und Emails liegen seitdem unbeantwortet und ungeordnet in den Ministerien. Seit Februar 2022 haben wir mit unserem Cases-Team über Einzelfallantragsstellung weitere Zusagen erwirkt. Seit Mitte Oktober ist das Bundesaufnahmeprogramm veröffentlich, das allerdings dem Bedarf kaum gerecht wird. Wir setzen uns weiterhin politisch ein für transparente, öffentliche Anlaufstellen, individuelle Antragsstellung und ein reformiertes Ortskräfteverfahren.
Im Headquarter in Berlin laufen alle Fäden zusammen. Die Ground Operators berichten täglich an das Headquarter von der aktuellen Lage vor Ort in Afghanistan und Pakistan. Nur durch diese wertvollen Kontakte ist es überhaupt möglich, dass wir weiterhin unsere Arbeit machen können. Die Case Manager setzen sich jeden Tag mit individuellen Einzelfällen auseinander und versuchen, einen Weg für viele zurückgelassenen Personen und Familien zu finden. Gemeinsam mit dem Fundraising- und Medienteam von #LeaveNoOneBehind gestalten wir unsere Medienarbeit und bemühen uns um persönliche und direkte Spender*innen-Kommunikation.
Vierteilige rbb-Doku „MISSION Kabul Luftbrücke“
Die Bilder auf dieser Seite sind Screenshots aus dem Film „MISSION Kabul Luftbrücke“. Die vierteilige Doku erklärt noch genauer die Arbeit von Kabul Luftbrücke. Sie steht in der ARD-Mediathek frei zur Verfügung: https://bit.ly/mission-klb
Wer sind die Menschen die wir aus Afghanistan evakuieren?
Die Menschen kommen aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft: Richterinnen, Intellektuelle, Klimaaktivist*innen, Sportler*innen, LGBTIQ Personen, Frauenrechtlerinnen und viele mehr. Unzählige weitere stehen noch auf unseren Listen und sitzen nach wie vor in Afghanistan fest.
