Das Warten nimmt kein Ende

Kabul Luftbrücke

19. Juni 2023- Lesezeit: 5 min

Ali: Das Warten nimmt kein Ende

“Während meiner Zeit in Pakistan hatte ich nur Ängste und Sorgen. Ich wusste nicht, wie es weitergehen wird, was die Zukunft bringt. Würde ich jemals in Deutschland ankommen? Wie lange werde ich hier warten?”

Nach dem Truppenabzug der westlichen Militärs aus Afghanistan übernahmen  die radikal-islamistischen Taliban am 15. August 2021 vollständig die Macht. Im Chaos der anfänglichen Evakuierungsmissionen verlief die Vergabe von deutschen Aufnahmezusagen an akut gefährdete Afghan*innen ebenso chaotisch und willkürlich. Oft wurden Familienmitglieder bei der Auflistung nicht berücksichtigt oder vergessen. In mühsamen und langwierigen “Härtefall”-Verfahren können fehlende Einreiseerlaubnisse beantragt werden. Doch so lange sitzen die Familien auf eigene Kosten in  Nachbarländern fest. Dort können sie nichts weiter tun, als warten, oft monatelang.

In einer Unterkunft der Kabul Luftbrücke in Islamabad kommen seit Anfang letzten Jahres Menschen unter, die zwar eine Einreiseerlaubnis für Deutschland haben, deren Weiterreise sich aber aufgrund von bürokratischen Hürden verzögert. Betroffen sind etwa Personen, deren Familienmitglieder noch auf ihre Zusage oder Visa warten und ohne die sie nicht weiterreisen können. Die deutsche Regierung übernimmt in solchen Fällen keine Versorgung während der Zwischenstopps.

Einer davon ist der 22-jährige Ali, der vor über einem Jahr nach Islamabad kam. 

“Ich war der Einzige in meiner Familie, der eine Aufnahmezusage für Deutschland erhielt. Aber ich wusste, dass sie in Gefahr sind, wenn sie bleiben”, sagt Ali. 

“Also blieb ich in Islamabad und das KLB-Team half mir, eine Aufnahmegenehmigung für meine Familienmitglieder zu beantragen. Bis alle genehmigt wurden, hat es über  ein Jahr gedauert.”

Seit etwa zweieinhalb Monaten sind Alis Eltern und seine Brüder mit ihm in Islamabad. Endlich waren alle bereit zur Weiterreise, der Termin in der deutschen Botschaft stand, die Familie wurde auf die nächste Flugliste gesetzt. Am 5. April sollte der Flug nach Deutschland gehen. 

Menschen sitzen im Garten unter einem Schirm

Ali und seine Familie im Garten der Unterkunft in Islamabad

“Dann, Ende März, bekam ich die Gerüchte mit, es solle einen Einreisestopp für Menschen aus Afghanistan geben. Ich hoffte, dass es nicht stimmt, aber es passierte wirklich”, sagt Ali. 

“Ich hatte so sehr gehofft, diese Situation würde endlich vorbei sein. Die Angst, die Enttäuschung, das Warten und die Anspannung. Jetzt sitzen wir schon wieder fest.” 

Pakistan bietet selten einen sicheren Ort und eine Zukunft für Geflüchtete aus Afghanistan. 

“Ich konnte nichts tun in Pakistan, hatte keinen Job, keine Schule. Als mein Visum ablief, habe ich richtig Angst bekommen. Ich konnte nicht mehr wirklich rausgehen. Die Polizei erkennt Afghanen und sie könnten mich jeder Zeit nach meinem Pass und Visum fragen und dann einsperren und abschieben.”

Ali erzählt, dass er bereits ein paar Freunde und Kollegen in München hat. 

“Ich hoffe, dass ich in Deutschland eine bessere Zukunft haben werde. Ich will meine Ziele erreichen und ich will die Mädchen und Jungen aus meinen Projekten unterstützen, die noch in Afghanistan sind.”

Gemeinsam mit seinen älteren Brüdern hat Ali 2016 einen BMX-Verein in Kabul gegründet. Der Verein hieß “Drop and Ride”, die Kurzform von “Drop Your Gun and Ride a Bike”. Ali war Traine