
Berlin, 23.12.2025
Mehr als 50 Personen des öffentlichen Lebens, darunter Fernsehmoderator Günther Jauch, Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller oder der Musiker Herbert Grönemeyer, haben sich mit einem offenen Brief an die Bundesregierung gewandt und fordern die Aufnahme all derer, die eine Deutsche Aufnahmezusage erhalten hatten, weil ihnen in Afghanistan die Verfolgung durch die Taliban droht. “Jetzt bleiben nur die wenigen Tage über Weihnachten, um zu handeln, bevor es für Einige bereits zu spät sein könnte,” heißt es in dem Brief.
Die Dringlichkeit besteht, da am 31.12. Eine von Pakistan gesetzte Frist endet. Ab Januar könnten die Menschen, die noch in Pakistan festsitzen, nach Afghanistan abgeschoben werden. “Diese Menschen haben als Ortskräfte der Bundeswehr und für deutsche Organisationen gearbeitet oder sich auf andere Weise für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt. Erlauben Sie ihnen die Einreise nach Deutschland und retten Sie damit ihr Leben. Es wäre ein Akt der Humanität, der einen wesentlichen Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des Gelingens von Politik ausmacht,” so der Wortlaut.
Bereits Anfang Dezember hatten Claus Kleber und Cordt Schnibben mit prominenter Unterstützung an die Bundesregierung appelliert, ihr Schutzversprechen einzuhalten: „Es ist der Versuch der Bundesregierung, durch Verzögerungen die Aufnahmezusagen der Vorgängerregierung zu unterlaufen. Und es ist der Versuch, durch diese Hinhaltetaktik entsprechende Urteile deutscher Gerichte zu ignorieren,“ schreiben sie im sogenannten Kabuler Appell.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte derweil 100.000€ für die von Kabul Luftbrücke unterstützen Gerichtsverfahren Betroffener zur Verfügung gestellt. Sowohl der Journalist Cordt Schnibben, als auch der Beauftragte der EKD für Flüchtlingsfragen, Bischof Christian Stäblein, gehören nun zu den Erstunterzeichnern des offenen Briefs an die Bundesregierung.
“Wir freuen uns, dass der Druck durch den Kabuler Appell und die von uns unterstützten Gerichtsverfahren Wirkung zeigt und am Montag zumindest noch ein Flug mit Schutzsuchenden in Deutschland angekommen ist. Unser Ziel haben wir aber erst dann erreicht, wenn alle, denen Deutschland Schutz versprochen hat, auch hier angekommen sind.” sagt Eva Beyer von der Kabul Luftbrücke.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung, im Anhang finden Sie den Wortlaut des Briefes, eine Liste der Erstunterzeichnenden, sowie weitere Hintergründe.
Kontakt:
+491578 7016349 (Eva Beyer)
Hintergrund:
- Bundesinnenminister Dobrindt hat inzwischen angekündigt, 535 der Wartenden nach Deutschland holen zu wollen, zugleich jedoch hunderten weiteren Menschen die Aufnahmezusage entzogen.
- Am Montag, 22.12. landete der letzte Charterflug in diesem Jahr mit 147 Menschen in Hannover. An Bord befanden sich 123 Menschen aus dem Bundesaufnahmeprogramm, 2 Familien (insgesamt 18 Personen) aus dem Ortskräfteverfahren und 1 Familie (6 Personen) von der Menschenrechtsliste. Insgesamt sind damit seit Anfang September 756 Menschen eingereist, darunter 3 ehemalige Ortskräfte und ihre Angehörigen (insgesamt 20 Personen) und 1 Familie aus dem Überbrückungsprogramm (insgesamt 6 Personen)
- Die sechs Menschen aus dem Überbrückungsprogramm sind die erste und bisher einzige Familie, die seit dem Regierungswechsel über eine der beiden Listen mit Aufnahmezusagen nach §22.2 AufenthG (Menschenrechtsliste und Überbrückungsprogramm) nach Deutschland kommen konnte
- Die Familie war bis vor das Verfassungsgericht gezogen, allerdings hatten die Richter in Karlsruhe nur geurteilt, dass die Visa-Anträge der Familie umgehend bearbeitet werden müssen. Wie die Bundesregierung entscheiden soll, gab das Bundesverfassungsgericht nicht vor und entzog sich damit einer inhaltlichen Grundsatzentscheidung.
- Wenige Tage nach dem Beschluss aus Karlsruhe wurde der Familie am 09.12. die Aufnahmezusage entzogen. Am 16.12. erklärte das Bundesinnenministerium jedoch erneut die Aufnahmezusage und teilte mit, dass “in hiesigem Verfahren erneut ein besonderes politisches Interesse an der Aufnahme besteht”.
- Für die restlichen knapp 1.500 Menschen, die weiterhin in Pakistan ausharren, ist es unklar, wie es ab dem 31.12. weiter geht. Sollte Pakistan an der Frist festhalten, könnten sie alle in wenigen Tagen nach Afghanistan abgeschoben werden.
- In einem letzten Versuch, vor Ablauf der Frist an das Verantwortungsbewusstsein der Bundesregierung zu appellieren, haben sich über 50 prominente Personen aus dem Öffentlichen Leben mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Merz, Innenminister Dobrindt und Außenminister Wadephul gewendet.
Der offene Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Merz,
sehr geehrter Herr Innenminister Dobrindt,
sehr geehrter Herr Außenminister Wadephul,
kurz vor Weihnachten wenden wir uns mit einer dringenden Bitte an Sie:
Geben Sie den Menschen in Pakistan, die trotz deutscher Aufnahmezusage nach Afghanistan zurückgeschoben werden sollen, eine Zukunft. Diese Menschen haben als Ortskräfte der Bundeswehr und für deutsche Organisationen gearbeitet oder sich auf andere Weise für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt. Erlauben Sie ihnen die Einreise nach Deutschland und retten Sie damit ihr Leben. Es wäre ein Akt der Humanität, der einen wesentlichen Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des Gelingens von Politik ausmacht. So appellieren wir an Ihre Mitmenschlichkeit.
Wir bitten um Ehrfurcht vor dem Leben von Menschen, die für die Bundesrepublik Deutschland, für unsere Werte und Interessen – nicht zuletzt für Freiheit und die gleiche Würde aller – ihre Existenz aufs Spiel gesetzt haben und nun gerade deshalb gemeinsam mit ihren Familien in größter Gefahr sind. Sie haben darauf vertraut, dass Deutschland Wort hält und ihnen beisteht. Nun haben sie keinen sicheren Ort mehr. Bitte zeigen Sie, dass wir ein verlässlicher Staat sind.
Weite Teile der Zivilgesellschaft, Expertinnen, Journalisten und die Kirche warnen schon lange, dass nicht nur die Glaubwürdigkeit Deutschlands, sondern auch Menschenleben auf dem Spiel stehen. Jetzt bleiben nur die wenigen Tage über Weihnachten, um zu handeln, bevor es für Einige bereits zu spät sein könnte.
Wir erlauben uns, Sie an Ihren Amtseid zu erinnern, in dem Sie gelobt haben, „Gerechtigkeit gegen jedermann“ zu üben. Wir bitten Sie: Sehen Sie in den rund 1.800 afghanischen Frauen und Männern, in den Kindern und Familien, Menschen, denen nun solche Gerechtigkeit zuteilwerden muss. Sie haben sich nichts zuschulden kommen lassen – aber sie haben auf uns vertraut.
Bitte lassen Sie für diejenigen, die ohnehin schon viel zu lange verzweifelt auf Rettung warten, ein Licht in dieser dunklen Zeit erstrahlen.
Hochachtungsvoll
Stand Erstunterzeichende 22.12. – 16 Uhr
Anika Decker, Drehbuchautorin und Regisseurin
Bjarne Mädel, Schauspieler
Burghart Klaußner, Schauspieler und Theaterregisseur
Christina Clemm, Rechtsanwältin und Autorin
Christian Stäblein, Bischof, Beauftragter der EKD für Flüchtlingsfragen
Cordt Schnibben, Journalist
Daniel Etter, Fotojournalist und Autor (Pulitzer-Preis)
Daniela Dröscher, Schriftstellerin
Daniel Gerlach, Autor
Daniel Schreiber, Schriftsteller
Durs Grünbein, Lyriker und Essayist (Büchner-Preis)
Düzen Tekkal, Autorin und Journalistin
Eva Schulz, Journalistin
Feo Aladag, Produzentin und Regisseurin
Gabriele von Arnim, Journalistin und Schriftstellerin
Georg Diez, Journalist und Autor
Georg Mascolo, Autor
Gesine Schwan, Politikwissenschaftlerin
Günther Jauch, Fernsehmoderator
Hape Kerkeling, Komiker, Autor und Moderator
Hanna Herbst, Journalistin
Herbert Grönemeyer, Musiker und Produzent
Herta Müller, Schriftstellerin (Nobelpreis für Literatur)
Isabel Abedi, Autorin
Jan Böhmermann, Satiriker und Moderator
Jan-Eric Peters, Journalist
Dr. Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes
Joachim Sartorius, Schriftsteller
Jobst Knigge, Filmemacher
Jochen Wermuth, Gründer und Impact-Investor
Katja Riemann, Schauspielerin
Katja Kipping, Geschäftsführerin vom Paritätischen Gesamtverband
Karin Sander, Künstlerin
Leslie Malton, Schauspielerin
Luisa Neubauer, Klimaschutzaktivistin und Publizistin
Luisa Celine Gaffron, Schauspielerin
Luna Möbius, Content Creator
Marion Detjen, Historikerin
Mark Benecke, Kriminalbiologe und Autor
Matthias Matschke, Schauspieler
Max Rogall, Aktivist und Content Creator
Maximilian Steinbeis, Jurist und Autor
Merlin Sandmeyer, Schauspieler
Milan Peschel, Schauspieler
Mithu Sanyal, Schriftstellerin und Kulturwissenschaftlerin
Niklas von Wurmb-Seibel, Filmemacher
Pascale Müller, Journalistin (Nannen Preis)
Peter-Matthias Gaede, Journalist
Ronja von Wurmb-Seibel, Autorin und Filmemacherin
Tanja Dückers, Schriftstellerin und Publizistin
Tristan Stadtler, Musiker
Dr. Ulf Buermeyer, LL.M. (Columbia), Jurist und Publizist
Ulrike Winkelmann, Journalistin
Vera Hartmann, Architektin
Wolfgang Bauer, Journalist
Wolfgang Kaleck, Rechtsanwalt




