Nennt mich Goofy

Ob es mir in Deutschland gefällt? Ganz klar: Jein. Ha!
Mein Leben lang hat man mir erzählt, die Deutschen seien so organisiert und korrekt und pünktlich – ich sehe, wie ihr vor euren Bildschirmen „genau“ sagt – anstrengend und chaotisch sei es hingegen in meiner Heimat Afghanistan. Man bekäme bei uns ja nie eine direkte Antwort. Und ausgerechnet ihr erfindet ein Wort, das gleichzeitig ja und nein heißt? Besteht damit Hoffnung auf Völkerverständigung? Inshallah.

Mir fehlt Afghanistan so sehr. Meine Freunde, die Natur, die Vertrautheit. Ich habe nicht nur meine Heimat verloren, sondern auch einen Teil von mir. In Afghanistan war ich eine Rebellin. Als Kind bin ich auf Häuserdächer geklettert, später auf Berge. Für euch mag das normal sein, aber in Afghanistan war das echt mutig. Ich bin im Krieg aufgewachsen. Immer wieder sind Freunde und Verwandte von mir bei Terroranschlägen gestorben. Als Frau habe ich doppelt Krieg geführt: gegen die konservative Gesellschaft, Jungs, die mich mit Steinen beschmissen haben und Verwandte, die mich einsperren wollten. Es ist seltsam. Ich hatte in Afghanistan kaum Rechte, fühlte mich aber trotzdem selbstbestimmt. Jetzt bin ich frei – und fühle mich unsicher.

Ich frage mich, ob das alles nötig gewesen ist. Klar bin ich stolz darauf, eine Kämpferin zu sein. Aber muss man sein Leben aufs Spiel setzen, um klettern gehen zu dürfen? Oder in die Schule? Ich sehe Frauen in Deutschland und denke: Ihr wisst gar nicht, wie gut ihr es habt. Ihr dürft sogar schlafen, mit wem ihr wollt. Das ist echt abgefahren! Einfach so Rechte zu haben, einfach so etwas wert zu sein. Es wird noch eine Weile dauern, bis sich das Chaos in meinem Kopf gelegt hat. Doch wenn ich abends meine Eltern auf der Parkbank vor unserer Wohnung sehe, verspüre ich nur eins: Frieden.

Foto: privat

Shogufa, 24 Jahre alt
In Deutschland seit Winter 2021, Bergsteigerin und Entertainerin

#KLBgoesChristmas #DontForgetAfghanistan