Teddy statt Taliban

Als die Taliban die Macht übernahmen, beschloss mein bester Freund, ein Mann zu werden. Jordan Bryon, ein australischer Filmemacher, war in Kabul mein Nachbar. Wir haben gelegentlich zusammen Basketball gespielt. Dass er trans ist und als Frau geboren wurde, wusste ich lange nicht. Jordan war einfach ein lustiger Typ, der mit seinem Motorrad durch Kabul heizte und auf Partys mit allen Frauen flirtete. Ob Mann oder Frau, das war irgendwie egal. Die meisten Afghanen sahen in ihm einen etwas verrückten Ausländer. Doch je angespannter die Situation in Afghanistan wurde, desto unruhiger wurde auch Jordan. Jahrelang hatte er mit der Entscheidung gehadert, im Sommer 2021 wollte er sein Geschlecht endlich angleichen lassen. Die Taliban marschierten auf Kabul und Jordan bekam seine erste Testosteron-Injektion.

Während die Taliban das Land zerstörten, wuchsen Jordan die ersten Bartstoppeln. Das Eine hängt mit dem Anderen nicht zusammen, aber es zeigt, welche Ereignisse aufeinanderprallen können und welche Realitäten daraus entstehen. Jordan fand im Stimmbruch seine Freiheit, Afghanistan im Zusammenbruch seine Versklavung. Diesen Gegensatz wollten wir der Welt mit unserem Dokumentarfilm “Transition” zeigen. Viele unserer Freundinnen mussten nach der Machtübernahme das Land verlassen. Sie durften nicht mehr arbeiten oder studieren. Jordan hingegen, in dessen Pass zwar noch immer “weiblich” stand, konnte nun eine Taliban-Einheit begleiten. Er verhielt sich wie ein Mann, er sah aus wie ein Mann, also war er für die Kämpfer einer. Trans-Menschen kennen sie echt. Wahrscheinlich hätten sie ihn umgebracht, wenn sie es gewusst hätten.

Die Dreharbeiten haben mich vor der Depression bewahrt, aber sie waren trotzdem schwer zu ertragen. Die Taliban mochten Jordan, sie luden ihn nach Hause ein und scherzten mit ihm. Einmal sagte er zu mir, dass er ein schlechtes Gewissen habe. Die Taliban wären fast Freunde geworden, müsste er nicht offenlegen, dass er trans ist? Jordan, sagte ich, die Taliban töten täglich Menschen, auch einen 13-jährigen Jungen in meiner Familie. Sie haben mein Land zerstört und meine Zukunft. Sie werden niemals meine Freunde sein.

Meine echten Freunde sind all die Menschen, die mir geholfen haben, ein neues Leben in Deutschland zu ermöglichen. Dazu gehört natürlich auch Jordan. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr unseren Film “Transition” schauen würdet!

Teddy, 26 Jahre alt
Seit einem Jahr in Deutschland, Filmemacher

#KLBgoesChristmas #DontForgetAfghanistan