

Shikiba Babori am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
Am 25. November leuchtet Deutschland wieder orange, violett, solidarisch. Gegen Gewalt an Frauen.
Kerzen werden angezündet, Hashtags entworfen, Ministerinnen posieren betroffen vor Bannern.
Nur ein Detail stört das Ritual nicht: Die Frauen, die wirklich um ihr Leben rennen, stehen währenddessen in Pakistan Schlange – für ein Visum, das nie kommt.
Diese Frauen brauchen keinen Applaus, keinen Schweigemarsch, keine symbolische Betroffenheit.
Sie brauchen Schutz.
Schutz in Deutschland? Eine Frage der Zuständigkeiten – und des politischen Wetters.
Juristische Gymnastik: Wenn Verantwortung Rückenschmerzen hat
Unterlassene Hilfeleistung ist strafbar – allerdings nur für Privatpersonen.
Der Staat hingegen bleibt straffrei.
Sein Fokus liegt auf Formularen, Wartelisten und der neuen olympischen Disziplin: Widerrufsbescheide falten, bis sich die Schreibtische biegen.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, verkündet das Grundgesetz.
Offenbar gilt das nur innerhalb der Landesgrenzen.
Außereuropäische Menschenwürde ist wie Handgepäckregeln: flexibel interpretierbar, je nach Kapazität.
Aufnahmeversprechen – jetzt auch als Gutschein mit Ablaufdatum
Deutschland versprach tausenden afghanischen Frauen Schutz vor Taliban, Folter, Kinderehe und Tod.
Was sie bekommen haben:
– Wartelisten
– Rückfragen
– Termine für Sicherheitsinterviews, die dann doch nicht stattfinden
– Und schließlich ein Angebot, das an Zynismus kaum zu überbieten ist: „Hier sind 6.500 Euro. Bitte lösen Sie Ihr Menschenrecht woanders ein.“
Es ist beschämend, was das Bundesinnenministerium unter Alexander Dobrindt hier durchzieht.
Ja, eine strengere Migrationspolitik mag nötig sein – aber nicht auf dem Rücken der wenigen Hundert Menschen, die in Pakistan festsitzen, weil sie Deutschland geglaubt haben.
Für Profilpolitik gibt es viele Bühnen, Herr Dobrindt. Diese Menschen gehören nicht dazu. Sie haben auf unsere Zusage vertraut.
Wie verzweifelt und zugleich tapfer muss man sein, dieses „Angebot“ abzulehnen – wissend, dass man womöglich ohne alles nach Afghanistan zurückkehrt?
Die meisten Familien haben genau das getan.
Ein Akt von Standhaftigkeit – und eine Schande für eine Bundesregierung, die Menschenrechte mit Geldscheinen verrechnet.
Moralische Verantwortung – ein optionales Extra
Moral ist in der Politik wie öffentliches WLAN: Sie funktioniert nur, solange man nah genug am Zentrum steht.
Von den rund 2000 Menschen mit deutscher Aufnahmezusage sind inzwischen etwa 200 von der pakistanischen Regierung nach Afghanistan abgeschoben worden – direkt zurück in das Regime, vor dem Deutschland ihnen Schutz zugesagt hatte.
Die übrigen rund 1800 sitzen weiter in Pakistan fest. Mit gültiger Aufnahmezusage, aber ohne Chance, sie einzulösen. Für sie gilt: Connection lost.
Während deutsche Gerichte ein Urteil nach dem anderen zugunsten der Schutzsuchenden fällen, produziert das Innenministerium ungerührt neue Widerrufe – Fließbandbürokratie auf Kosten von Menschenleben.
Die Betroffenen warten monatelang in Pakistan: verhaftet, bedroht, geschlagen.
Nach Razzien verlieren einige Frauen ihre ungeborenen Kinder.
Doch Berlin zeigt Haltung: Menschenrechte – aber bitte nur, wenn sie nicht unbequem werden.
Dafür dürfen Taliban-Vertreter inzwischen in Berlin ein- und ausgehen.
Die Schutzsuchenden dagegen bleiben festgesetzt.
Mit Aufnahmezusage.
Mit Gerichtsbeschlüssen.
Mit einer Hoffnung, die jeden Tag ein Stück dünner wird.
Wer duldet, der billigt
Gewalt beginnt nicht erst mit der Faust.
Sie beginnt mit Wegsehen.
Mit Verwalten statt Handeln.
Mit politischer Feigheit, Menschen in Lebensgefahr erstarren zu lassen – weil man sich nicht festlegen will.
Am 25. November sagt Deutschland wieder: „Gewalt gegen Frauen darf keinen Platz haben.“
Offenbar doch – solange sie weit genug weg stattfindet.


