
*** Einreise für 47 Personen vor Gerichten erstritten ***
*** Erneute Verhaftungen und Abschiebungen von Menschen mit deutscher Aufnahmezusage in Islamabad ***
*** Auswärtiges Amt und Innenministerium setzen Schutzsuchende unter Druck ***
*** weiterhin keine Unterstützung für abgeschobene Schutzsuchende ***
Vor Gericht erstrittene Einreise von 47 Personen
• Nach massivem Druck durch das Verwaltungsgerichts Berlin hat das Auswärtige Amt 10 Familien Visa erteilt.
• Insgesamt 47 Menschen, überwiegend Frauen und Kinder, landeten am Montag, den 01. September in Hannover.
• Aufgeschlüsselt nach Zahlen ergibt sich folgende Konstellation: 10 Familien mit insgesamt 47 Personen, darunter 20 Frauen, 19 Kinder, 8 Männer. 9 Familien hatten eine Aufnahmezusage über das Bundesaufnahmeprogramm, eine Familie über die Menschenrechtsliste
• Für alle Familien lagen abgeschlossene gerichtliche Verfahren vor.
• Unter den ankommenden 10 Familien befanden sich acht weibliche und zwei männliche Hauptantragsteller*innen, darunter eine Ärztin, die für das Militär gearbeitet hat, ein bekannter Regimekritiker und Schriftsteller, eine Wissenschaftlerin und eine Karate-Kämpferin, die Afghanistan früher in nationalen und internationalen Wettkämpfen repräsentierte.
Erneute Verhaftungen und Abschiebungen von Menschen mit Aufnahmezusage
Am Dienstag, 02. September, und Mittwoch, 03. September, kam es erneut zu Verhaftungen in GIZ-Unterbringungen in Islamabad.
22 Fälle von Verhaftungen sind uns derzeit bekannt, von denen 8 bereits nach Afghanistan deportiert wurden (Stand 03.09. Mitternacht Ortszeit).
Damit erhöht sich die Zahl der Abschiebungen auf insgesamt 218 Personen.
Die erneuten Razzien in GIZ-Unterbringungen kommen nur zwei Tage nach der Ankündigung Wadephuls, er habe mit seinem pakistanischen Amtskollegen vereinbart, dass bis Ende des Jahres keine weiteren Verhaftungen zu befürchten seien.
Auswärtiges Amt und Innenministerium setzen Schutzsuchende unter Druck
• Es liegen mittlerweile mehr als 30 Eilbeschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin vor, mit denen die Bundesregierung verpflichtet wird, unverzüglich Visa zu erteilen, bzw. in einigen Fällen das Verfahren schnellstmöglich abzuschließen und über den Visumsantrag zu entschieden. Zu einem großen Teil sind die Beschlüsse vom Oberverwaltungsgericht bereits bestätigt worden.
• Die Bundesregierung hingegen versucht, die Umsetzung positiver Gerichtsbeschlüsse zu verhindern. Anstatt nach derart vielen gerichtlichen Niederlagen einen Kurswechsel einzuleiten, die Vorgaben der Justiz ernst zu nehmen, und nun auch in den Verfahren tätig zu werden, die noch nicht beim Gericht liegen, passiert das Gegenteil:
• Die Bundesregierung setzt Schutzsuchende, die erfolgreich ihr Recht eingeklagt haben, aktiv unter Druck. Aufnahmezusagen der Klagenden werden infrage gestellt oder sogar zurückgezogen, Familien aus GIZ-Unterkünften auf die Straße gesetzt. Hier zwei aktuelle Fälle aus Pakistan:
Fall 1: Einer 31-jährigen Journalistin und Frauenrechtsaktivistin und ihren beiden Kindern wurde auf der Grundlage der Aufnahmezusage vom Februar 2024 vom Verwaltungsgericht Berlin per Eilbeschluss am 24.07.2025 entschieden, dass Visa erteilt werden müssen. Die Beschwerde des Auswärtigen Amtes wurde am 22.08.2025 zurückgewiesen. In keinem Stadium des Verfahrens wurden Sicherheitsbedenken oder Zweifel an der Aufnahmezusage vorgetragen. Ende August wurde derweil der dem Visum zugrundeliegenden Aufnahmebescheid aufgehoben – weil die Bundesregierung plötzlich die Gefährdung neu einschätzen will. Gegen diesen Widerruf sind eine Klage und ein Eilantrag bereits anhängig. Aber dieses Verfahren dauert – und die Familie muss sofort die Unterkunft der GIZ verlassen und sich für die Dauer des Verfahrens selbst versorgen.
Fall 2: Ähnlich gestaltet sich ein Fall eines in Afghanistan bekannten Musikers, der sich zugleich prominent für Frauenrechte und Demokratie eingesetzt hat: Hier war ebenfalls ein Eilantrag vor dem VG Berlin erfolgreich und eine Beschwerde des Auswärtigen Amts wurde durch das Oberverwaltungsgericht unanfechtbar abgelehnt wurde. Die Frist zur Erteilung der Visa ließ das AA verstreichen. Nach einem Antrag auf Zwangsgeld wurde der Familie ein Bescheid über die Rücknahme ihrer Aufnahmezusage vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zugestellt – mit dem Argument, dass sich aus einem vor sechs Monaten geführten Interview ergeben habe, dass die Familie nicht gefährdet sei. Die Folge: Der Familie wurde zugleich mitgeteilt, dass dass sie sieben Tage Zeit hätten, die Unterkunft zu verlassen.
Das akute Problem: Die Antragstellerin befindet sich in der 38. Schwangerschaftswoche – und steht nun in wenigen Tagen ohne Unterkunft da, ohne Zugang zu medizinischer Versorgung und in unmittelbarer Abschiebegefahr.
Es handelt sich hierbei nicht um Einzelfälle. Die plötzliche Häufung dieser so bisher nicht gesehenen Vorgänge legt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um eine Strategie der Bundesregierung handelt, die Aufnahmen trotz gerichtlicher Beschlüsse mit allen Mitteln zu verhindern.
Hierzu Rechtsanwalt Matthias Lehnert:
„In einem Rechtsstaat würde man erwarten, dass sich eine Regierung an die Vorgaben und die Schlussfolgerungen der Justiz hält. Derzeit passiert das Gegenteil.“
Weiterhin keine Unterstützung für die 210 Abgeschobenen Menschen in Afghanistan
Seit über zwei Wochen sitzen 210 Schutzsuchende in Afghanistan fest. In dieser Zeit hätte die Bundesregierung problemlos Visa für eine Wiedereinreise nach Pakistan organisieren können.
Hierzu Eva Beyer von KLB:
„Selbst wir als NGO ohne diplomatische Kontakte könnten dies in weniger als zwei Wochen leisten. Das Problem liegt also nicht an äußeren Hürden, sondern allein am fehlenden politischen Willen.
Statt Verantwortung zu übernehmen, lässt die Bundesregierung Menschen im Stich, die auf ihre Aufforderung nach Pakistan ausgereist und dort über Monate oder Jahre auf ein Visum gewartet haben. Nun sind sie genau dem Regime ausgeliefert, vor dem sie Schutz gesucht und von Deutschland zugesichert bekommen hatten. Für ihr Schicksal trägt die Bundesregierung volle Verantwortung.“
Unabhängig davon, ob auch für diese Fälle die Strategie der Regierung ist, Aufnahmezusagen zu entziehen: Spätestens seit ihrer Abschiebung nach Afghanistan stehen sie unter Beobachtung der Taliban.
Die Betroffenen haben daher einen Brandbrief an die Bundesregierung verfasst (siehe Anhang).
Kontakt
• Eva Beyer, Kabul Luftbrücke, eva@kabulluftbruecke.de
• Matthias Lehnert, Rechtsanwalt, lehnert@aufenthaltsrecht.net