
Update
Verhaftungen und Abschiebungen von Afghan:innen mit deutscher Aufnahmezusage rund um den Jahrestag der Machtübernahme
Aktueller Stand – was ist passiert?
- Zwischen Dienstag und Freitag wurden mindestens 450 afghanische Schutzsuchende mit deutscher Aufnahmezusage aus Unterkünften der GIZ in Islamabad verhaftet
- 211 Personen wurden laut Aussage des Auswärtigen Amts in der Regierungs-PK nach Afghanistan abgeschoben
- Ebenfalls laut Angabe des AA wurden ca. 245 Personen am Sonntag aus dem Haji Abschiebe-Camp freigelassen und befinden sich inzwischen in GIZ-Unterkünften in Peschawar
- In Peschawar befinden sich insgesamt 300-400 Personen in GIZ-Unterbringung. Diese Personen wurden bereits alle im Haji Camp registriert. Sollte die pakistanische Regierung die Abschiebungen / Verhaftungen auf Peschawar ausdehnen, könnten diese Personen ohne weiteren Aufenthalt im Camp direkt abgeschoben werden, was die Möglichkeiten einer Intervention durch die Botschaft erheblich einschränkt
- Die pakistanische Regierung hat bereits angekündigt, die Abschiebungen und Verhaftungen, die sich bisher auf das Islamabad Capital Territory (ICT) beschränkten, ab 01. September auf das gesamte Staatsgebiet auszudehnen
- Aktuell sind Verhaftungen aus GIZ-Unterkünften ausgesetzt, aber vermutlich nur bis Anfang / Mitte September, wie es dann weiter geht ist unklar
- Uns liegen Berichte von gewalttätigen Übergriffen gegen Schutzsuchende durch pakistanische Behörden vor. Frauen berichten, dass sie und ihre Kinder geschlagen wurden, teilweise mit Stöcken und Knüppeln
Wie geht es den Abgeschobenen in Afghanistan?
- Die Personen wurden ohne ihre Pässe abgeschoben, da sich diese weiterhin in der deutschen Botschaft befinden.
- Auf afghanischer Seite weiterhin wird im Auftrag der Bundesregierung versucht, die Menschen gesammelt in Safehouses unterzubringen
- Bei den ursprünglich knapp 2.300 Wartenden mit deutscher Aufnahmezusage handelt es sich überwiegend um Frauen und Kinder
- Darunter viele alleinreisende Frauen ohne Mahram
- Da die Menschen vor der Verhaftung keine Zeit hatten, ihre Sachen zu packen oder diese nicht mitnehmen durften, haben viele Frauen nicht die in Afghanistan vorgeschriebene Kleidung und würden sofort verhaftet, wenn sie ohne Hijab in die Öffentlichkeit müssten – sie könnne sich daher nicht aus der Unterkunft bewegen. Das führt dazu, dass sie ua keinen Zugang zu Hygieneprodukten haben
- Da Familien getrennt wurden, gibt es minderjährige Kinder / Mädchen, die sich ohne ihre Eltern in Afghanistan befinden. Sie sind besonders vulnerabel und müssten schnellstmöglich zurück nach Pakistan geholt werden
Personen in Klageverfahren
- Mittlerweile liegen nach unserem Kenntnisstand inzwischen 20 positive Eilrechtsschutzbeschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin vor, die zu dem Ergebnis kommen, dass erstens die Aufnahmezusagen rechtlich verbindlich sind, und zweitens dringend gehandelt werden muss.
- Von den Verhaftungen sind ebenfalls Familien betroffen, für die positive Eilrechtsbeschlüsse vorliegen.
- Diese Situation hat die Bundesregierung zu verantworten, die trotz mündlicher Zusicherungen im Bundestag und gerichtlicher Entscheidungen nicht bereit ist, den schutzsuchenden Afghan:innen die versprochenen Visa auszustellen.
- Statt eine schnelle Ausreise zu ermöglichen, hat die Bundesregierung in den anhängigen Verfahren noch in der vergangenen Woche argumentiert, dass keine Gefahr droht, und die Menschen keine Abschiebungen befürchten müssen.
- Die Bundesregierung hat in vielen Fällen gegen die positiven Eilrechtsbeschlüsse des VG Berlin Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht eingelegt, nimmt diese aber inzwischen in einigen Fällen aufgrund offensichtlicher Aussichtslosigkeit zurück.
- Durch die noch anhängigen Beschwerdeverfahren haben die Menschen jedoch weitere Zeit verloren
Wie geht es weiter?
- Die Bundesregierung hat sich bisher nicht dazu geäußert, wie sie den Zeitraum bis zum Ablauf der Frist der pakistanischen Behörden nutzen will, um Visaprozesse und gegebenenfalls Ausreisen für die Menschen mit Aufnahmezusage zu organisieren. Es gibt ebenfalls keinerlei Aussagen dazu, wie die Sicherheit der Menschen gewährleistet und sie vor den ab 1. September anlaufenden landesweiten Abschiebungen geschätzt werden sollen.
- Befürchtung, dass in den nächsten Tagen viele Aufnahmezusagen entzogen werden – bei Aufnahmezusagen nach §22 ist dies mit Zustimmung der jeweiligen Ressorts (BMVG / BMZ für Ortskräfte; AA für Menschenrechtsliste und Überbrückungsprogramm) ohne formelles Verfahren möglich – das betrifft knapp die Hälfte der wartenden Personen
- Die Verteilung auf die Programme (Stand 28.05.) stellt sich folgendermaßen dar: 320 Personen aus dem Ortskräfteverfahren (OKV), circa 70 Personen der Menschenrechtsliste (MRL), 770 Personen aus dem Überbrückungsprogramm (ÜBP) und knapp 1.250 Personen aus dem Bundesaufnahmeprogramm (BAP)
- Im formalisierten Widerrufsverfahren des Bundesaufnahmeprogramms hat die Bundesregierung die Frist, um Einspruch gegen die Rücknahme der Aufnahmezusage einzulegen für Schutzsuchende von vier auf zwei Wochen (und damit das Minimum) reduziert.
- Verträge der GIZ, die für die Unterbringung in Pakistan zuständig sind laufen zum 30. September aus – eine Verlängerung wurde noch immer nicht zugesagt
- Angesichts der akuten Gefahr, in der sich die Schutzsuchenden befinden, wurde am Freitag eine Strafanzeige gegen die Bundesregierung gestellt. Als Grundlage dient das Rechtsgutachten der Kanzlei 8KM vom 08. Juli 2025, das im Auftrag von Pro Asyl und dem Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte erstellt wurde.
Kontakte für Rückfragen
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- Matthias Lehnert, Rechtsanwalt, lehnert@aufenthaltsrecht.net
- Eva Beyer, NGO Kabul Luftbrücke ; press@kabulluftbruecke.de